"Windwheel" & Ich im Praxistest mit der Zielgruppe

Vor wenigen Wochen stand ich im Rahmen der einjährigen Weiterbildung innerhalb der "Akademie für Kindermedien" vor 30 Schülerinnen und Schülern des Erfurter Gymnasiums "Königin Luise". Gemeinsam sollte an einem Kinofilmkonzept gearbeitet werden. Mit Betonung auf "sollte", denn mir wurde von der Klassenlehrerin vorab zu verstehen gegeben, dass ich eine besonders schwierige Klasse zugeteilt bekommen hätte. Aber anstatt aufgefressen zu werden, passierte etwas Unglaubliches (No Clickbait):

 

In der Tat, es gab eine Handvoll Kandidaten (männlich plural), die geübt darin waren, Grenzen auszuloten. Zwei Rudelsführer wurden direkt vor mich platziert, damit ich ggf. direkt eingreifen konnte. Aber die Kunde von den "gefrässigen Bestien" konnte ich nicht bestätigen. Innerhalb der ersten Minuten erreichte ich mit einigen Tricks eine vollkommene Kooperationsbereitschaft. Mehr noch, waren sie Feuer und Flamme , als die Klasse erkannte, was das Thema der kommenden Stunden sein sollten (zugegeben, alles war besser als "Mathe"). Ich war mit meinem Animationsfilmkonzept "Windwheel" zu Besuch, um es an und mit der Zielgruppe zu testen. Nach nur zehn Minuten waren sie bereits in die Erlebniswelt meiner Figuren eingetaucht und begannen selbstständig über die Figurenkonstellationen, die Dramaturgie oder die physikalischen Möglichkeiten der Fantasiewelt zu diskutieren. Ich war beeindruckt, wie schnell die Kinder die Geschichte aufnahmen und wie komplex ihre eigenen Ideen dazu waren - und vor allem wie überschwänglich positiv die Reaktionen auf die Auflösung des Stoffes ausfielen. Die Rudelsführer versuchten 1-2 mal die Projektarbeit zu stören, aber konnten direkt mit gezielten Extraaufgaben wieder in die Gruppe reingeholt werden. Wenn Junge bis Mädchen, von Klassenrabauke bis -Streberin, sich gleichermaßen für mehrere Stunden für eine Geschichte begeistern können, dann ist das ein schöne Bestätigung dafür, dass man die anvisierte Zielgruppe auch wirklich erreicht. Don Bluth hatte recht, unterschätze und unterfordere nicht dein (Kinder)Publikum!

 

Meine Erfahrung als Workshop- und Redaktionsleiter hatte mir sicherlich im Umgang mit der Klasse geholfen, aber vor allem dankte es mir die Klasse, dass ich sie ernst nahm. Wir konnten von Anfang an auf Augenhöhe miteinander diskutieren und ich versuchte einen Raum zu schaffen, wo es keine falschen oder absurden Ideen gab. Tatsächlich schien das für viele der Kinder eine Befreiung zu sein, nicht empirisch korrekt, sondern kreativ frei agieren zu dürfen. Bei zwei Kindern erkannte ich eine ausgeprägte Begeisterung für das Geschichtenerzählen. Gut möglich, dass diese bei Zeiten selbst den Sprung in die Kreativbranche wagen werden. Ich würde es ihnen wünschen!

 

Für mich persönlich war dieser Vormittag eine überaus erfüllende Erfahrung, die sicherlich nicht repräsentativ für einen regulären Schulalltag von Lehrkräften steht. Aber ich erkannte, was die Kraft und Faszination dieses Berufs ausmacht, wenn man Kinder mit den eigenen Gedanken und Ideen erreicht. Eine Kommilitonin, die als Zuschauerin dabei war, sagte später zu mir, dass ich einen guten Vater/Lehrer abgeben würde.