5 Jahre als Drehbuchautor: Krimi, Kino & Krisenkoller

Vor einiger Zeit wurde ich von einer Zeitung aus der Heimat für ein Interview angefragt. Über mich und meinen beruflichen Werdegang. Ich dachte mir, warum nicht. Letzte Woche erschien nun das Porträt in der KUL-Kulturzeitung und ich nehme es zum Anlass, um die ungekürzte Version hier als Quasi-Sequel zu meinem anno 2018 viral gegangenen Blogartikel "365 Tage als Drehbuchautor: The Good, the Bad & the Money" zu posten. Ich erhalte erstaunlicherweise bis heute Zuspruch und Fragen auf den Blogartikel von damals, weswegen vielleicht auch dieser Text für manche von Interesse oder sogar eine Hilfe sein mag, den eigenen Weg zu finden.

 

 

Wie würdest du dich mit drei Adjektiven beschreiben?

Lange Zeit hatte ich die Begriffe „cineastisch, neurotisch, romantisch“ als nicht ganz ernst gemeinte Selbstbeschreibung bei mir auf Twitter und Instagram stehen. Aber ehrlich gesagt tue ich mich mit einer seriösen Selbstbeschreibung schwer. Was ich weiß: Ich kann ziemlich bequem und introvertiert sein.

 

Drehbuchautor klingt nach einem absoluten Traumberuf. Ist er das auch?

Kommt drauf an, wie man „Traumberuf“ definiert. Ich kenne alteingesessene Drehbuchhasen, die schreiben ein bis zwei namhafte Krimifolgen im Jahr an einem Sandstrand ihrer Wahl und genießen ansonsten ihr Life. So betrachtet ja, definitiv eine Traumvorstellung. Ich bin jedoch erst seit 2018 als freier Autor in der Branche tätig, die Hälfte der Zeit im Krisenzustand, so dass ich bislang nur ein kleiner Fisch bin. Wenn man jedoch nicht nur auf‘s Geld schaut, sondern vor allem auf die Arbeit, ist es für mich persönlich wirklich ein wahr gewordener Traum. Ich werde dafür bezahlt mir Geschichten auszudenken, darf Welten erschaffen, mich kritisch mit dem Weltgeschehen auseinandersetzen und schaffe es im besten Fall damit Menschen zu begeistern und zu berühren. Letzten Endes ist es aber ein Beruf wie jeder andere auch. Heißt: Knappe Deadlines, Preiskämpfe, sinnbefreite Meetings, Überstunden und durchgearbeitete Wochenenden. Ob in den Medien, Gastronomie, IT, im Bau oder sonst wo, in gewissen Dingen sind alle Berufe gleich.

 

Was muss man überhaupt mitbringen, um Drehbuchautor zu werden? 

Leidenschaft fürs Schreiben und Disziplin. Punkt. Auch wenn ich am Tag nur zwei Stunden zum Schreiben komme, weil der Rest der Zeit für Akquise, Meetings, Buchhaltung, Klinkenputzen, Daddeln oder Selbstzweifel draufgeht, so sind es diese wenigen Stunden, die über Sein oder Nichtsein als Schreiberling entscheiden. Ausserdem sollte man sich eine dicke Haut wachsen lassen. Als Drehbuchautor:In ist man ständig und überall mit Meinungen konfrontiert, die man einordnen und aushalten können muss. Ob von der höchsten Produzentin bis zum nichtigsten Internettroll. 

 

Ich stelle mir vor, dass es ein Beruf ist, der auch mit Risiko verbunden ist. Hast du jemals an dir gezweifelt? 

Ich zweifle jeden Tag an mir, das gehört wohl zu meinem Naturell. Auch weil wir in turbulenten Zeiten mit explodierenden Energiepreisen und kriegstreibenden Möchtegern-Zaren leben. Dass Corona davor meine Ersparnisse fast komplett aufgeraucht hat, tat sein Übriges dazu. Ich erwische mich manchmal beim Gedanken, mich in eine vermeintlich sichere Festanstellung zurückzuwünschen. Aber gleichzeitig bin ich noch nie den einfachen Weg gegangen und genieße die Vorteile des Freelancer-Daseins zu sehr. Wenn es mir „nur“ ums Geld ginge, wäre ich in der Heimat geblieben. Ich kann nur für mich sprechen, aber ich ziehe eine ungemeine Zufriedenheit aus meinem selbstaufgebauten Lebensweg. Solange mir mein Beruf das gibt, solange werde ich an meinem Weg festhalten. Insofern muss noch einiges passieren, bevor ich aufgebe. Was jetzt aber keine Einladung für den kleinen Mann im Kreml sein soll, noch mehr am Rad zu drehen als ohnehin schon.

 

Wann hast du gewusst, diesen Beruf ausüben zu wollen? Und warum? 

Ich wusste sehr früh, dass ich etwas mit Film machen wollte, was aber in Liechtenstein nicht so einfach war und vermutlich bis heute nicht ist. Also ging ich erst den klassischen Weg. Angefangen mit einer Lehre als Hochbauzeichner, ein Jahr lang war ich sogar als Gebäudereiniger und Fensterputzer im ganzen Rheintal unterwegs (bis heute einer meiner Lieblingsjobs, auch wenn mir das niemand so recht glauben will) oder ich half meinem Vater auf dem Bau. Aber egal was ich machte, stets begleitete mich meine Filmbegeisterung. Irgendwann erkundigte ich mich, wo man etwas in die Richtung studieren konnte und da stieß ich auf Potsdam. Das war anno 2006, damals gab es selbst in der Schweiz noch kaum Studiengänge in die Richtung. Ich studierte jedoch nicht direkt Drehbuch, sondern Animation.

 

War Redakteur ein Berufsziel von dir?

Redakteur stand bei mir nie auf dem Wunschzettel. Das ergab sich eher zufällig nach dem Studium. 2011 machte ich ein Praktikum bei der UFA, dem größten Filmproduktionsunternehmen in Deutschland. Die fanden scheinbar gut, was ich mache, also absolvierte ich wenig später ein Volontariat, was wieder ziemlich gut lief. Ehe ich mich versah war ich Redaktionsassistent, dann Onlineredakteur und schließlich leitender Onlineredakteur. Als solcher verantwortete ich die interne Webvideo-Abteilung der UFA Fiction und arbeitete eng mit anderen UFA-Units zusammen, aber auch innerhalb des Bertelsmann Konzerns und RTL. Das alles war nicht geplant, aber fühlte sich richtig an und machte Spaß. 

 

Vor ungefähr fünf Jahren fing ich an, mir aktiv Gedanken über meine berufliche Zukunft zu machen, anstatt die Dinge einfach passieren zu lassen. Der unbefristete Redaktionsjob hatte seine Vorzüge, keine Frage. Ich arbeitete mit vielen tollen Kolleg:Innen und namhaften Schauspieler:Innen zusammen, traf viele Filmschaffende und durfte an dutzenden Produktionen mitarbeiten, etwa „Charité“ (für ARD), „Ku'damm 56/59“ (für ZDF) oder dem Kinofilm „Ich bin dann mal weg“. Aber es stellte sich auch eine gewisse Unterforderung und Trott ein, was sich mit meinen Ambitionen biss, die meine Chefs aber nicht ernst nehmen wollten. Erst als ich ihnen meine Kündigung auf den Tisch legte, rollte man mir plötzlich den roten Teppich aus. Aber da waren meine Segel längst gesetzt. 

 

Welchen Genres widmest du dich und welche davon magst du am meisten? 

Da muss ich meine Standardantwort auspacken, weil ich die Frage häufiger gestellt bekomme, meist gepaart mit Verwunderung, wenn ich ehrlich antworte: Ich kann Krimi, aber mein Herz schlägt für Dramedy und generell für alle Genremixe und Perspektiven, die in den letzten Jahrzehnten sträflich vernachlässigt wurden. Die Betonung liegt auf Krimi, weil die deutschsprachigen Länder bekanntlich sehr krimiaffin sind. Während im Ausland Komödien und Fantasy zu den beliebtesten Genres gehören, ist bei uns seit einem halben Jahrhundert vor allem Krimi angesagt. Ich bezeichne mich gerne augenzwinkernd als den „unbegabtesten Krimischreiberling Deutschlands“. Hauptsächlich, weil es mir keine Freude bereitet, "typisch-deutsch" zu schreiben. Nichtsdestotrotz habe ich eine ausgezeichnete Idee für einen zeitgemäßen Liechtenstein-Tatort, der bereits auf Interesse gestoßen ist. Spätestens, wenn dieser umgesetzt wird, werde ich mich selbst zum motiviertesten Krimiautoren Liechtensteins küren. 😆

 

Du hast bereits einige Auszeichnungen erhalten und wurdest unter anderem im vergangenen Jahr für den Kriminachwuchs-Drehbuchpreis nominiert. Was würdest du als deinen größten Erfolg bisher bezeichnen? 

Was mich sehr geprägt hat, war ein Drehbuchstipendium vom Literarischen Kolloquium Berlin, das ich 2018 für ein historisches Serienkonzept über den Holocaust erhalten habe. Das ermöglichte mir, einen Monat lang in Krakau zu verbringen und mehrere Tage in der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau zu recherchieren. Eine sehr intensive Erfahrung. Ansonsten messe ich meine Erfolge eher an persönlichen Gesten. Wenn Leute nach Abschluss eines Projekts wieder mit einem arbeiten wollen oder einem unverhofft weiterempfehlen, dann schätze ich das ungemein.

 

Kannst du ein paar Projekte nennen, die für dich einen besonderen Stellenwert haben? 

Aktuell die Serienidee „Hysteria“, die mir einige Türen öffnet. Das ist eine Mystery-Serie über ein erzkonservatives Dorf, in dem seit zwanzig Jahren auf mystische Weise nur noch Mädchen zur Welt kommen, was den Ort ordentlich auf den Kopf stellt. Mit dem Stoff wurde ich letztes Jahr für den bereits genannten Krimi-Nachwuchsdrehbuchpreis nominiert und konnte jüngst bei einem Pitchwettbewerb den ersten Platz ergattern. Das spannende ist, dass die Serie zwar in Deutschland spielt, aber sehr viel „Liechtensteiner DNA“ in sich trägt. Daneben besitzt „Skyscraper“ bei mir einen besonderen Stellenwert, ein Drehbuch für einen Animationsfilm der Marke „Findet Nemo“. Das war das erste, richtige Filmdrehbuch, an dem ich beteiligt war und das ich zusammen mit Gregor Vogt verfasst hatte. Quasi unsere Reifeprüfung. Wir machten damals viele Fehler, aber wohl auch einiges richtig, da es uns eine Nominierung für den Deutschen Animationsdrehbuchpreis einbrachte.

 

An was arbeitest du aktuell? 

Ich verantworte für Amazon als Headautor eine fiktionale Podcastserie. Die Serie heißt „Business Wars“ und läuft in den USA seit einigen Jahren sehr erfolgreich. Nun wollen sie eine deutsche Adaption herausbringen und ich schreibe die erste Staffel und werde weitere Staffeln federführend leiten. Das ist mein Brot-und-Butter-Geschäft. Daneben entscheidet sich demnächst, ob ich Co-Autor bei einer Sci-Fi-Kinoproduktion sein werde. Definitiv ein Traum von mir, die Chancen stehen nicht schlecht, ich konnte mich bislang gegen andere behaupten, aber der Realist in mir bleibt da weiterhin vorsichtig. Ansonsten arbeite ich an diversen eigenen Projekten. Etwa die genannte „Hysteria“ Serie. Auch versuche ich zusammen mit der Co-Autorin Simona Specker den irrwitzigen Ereignissen, die sich vor der Einführung des Frauenstimmrechts 1984 in Liechtenstein ereigneten, ein Serien-Denkmal zu setzen.

 

Es scheint, als hättest du es geschafft.

Subjektiv gesehen empfinde ich mich noch ziemlich weit davon entfernt, es „geschafft zu haben“ trotz meiner bisherigen Aufträge für ZDF, Sat1, Audible, MDR und Co. Ich hatte 2018 und 2019 zwei gute, erste Jahre, konnte direkt arbeiten, davon leben und konnte Auszeichnungen und Stipendien für mich verbuchen. Erfolgreicher, als es mir meine damalige Berufsberaterin und erfahrene Kollegen prophezeit hatten. Alle waren der Meinung, dass die ersten zwei bis drei Jahre als freier Drehbuchautor die härtesten werden würden. Darüber kann ich heute nur lächeln, weil seit 2020 wissen die meisten in meiner Branche, was wirtschaftlich harte Zeiten wirklich sind. Es geschafft zu haben bedeutet für mich, dass Broadcaster oder Produktionsfirmen auf einem zu kommen, nicht umgekehrt. In Deutschland gilt man solange als Nachwuchs bis man zwei bis drei Langfilme oder ein paar Fernsehfolgen geschrieben hat. Ich wurde letztes Jahr mit 39 Jahren für einen Nachwuchsdrehbuchpreis nominiert und ich war alterstechnisch maximal im Mittelfeld. Das sagt ziemlich alles über die deutsche Filmbranche aus. Solange ich Türklinken putzen, Initiativ-Bewerbungen verschicken, Castingprozesse durchlaufen, mich wieder und wieder Leuten ins Gedächtnis rufen muss, solange ich mehr Zeit und Kraft in Akquise als Schreiben investieren muss, solange habe ich es meiner Meinung nach nicht geschafft. Aber das macht auch den Reiz aus, weil ich nie genau weiß, woran ich in ein paar Monaten arbeiten werde. Und ich sehe mich am Anfang einer Entwicklung, nicht am Ende, weswegen ich da sehr zuversichtlich bin. 

 

Wie hat dein Umfeld darauf reagiert, dass du etwas mit Film machen wolltest - immerhin ist es kein „herkömmlicher“ Job?Meine Familie hat mich enorm unterstützt, was mich sehr gefreut hatte, aber erst Jahre später erkannte ich, was für ein unglaubliches Geschenk das wirklich war. Das ist nicht selbstverständlich. Wer weiß, ob ich sonst den großen Schritt gewagt hätte. Auch aus dem Freundeskreis kann ich mich nur an positive Reaktionen erinnern, auch wenn es natürlich eine bitter-süße Entscheidung war, hier alle Zelte abzubrechen. Wenn es Zweifel gab, dann ob der „Buab“ noch anständiges Deutsch sprechen würde, wenn er zurückkommt. Ich denke, ich konnte zumindest diese Sorge nehmen, denn bis heute zeigen sich Leute erstaunt, dass ich immer noch Dialekt spreche. Als würde man den so einfach verlernen, nur weil man jenseits des Rheins wohnt. Dafür bin ich zu gern und häufig in der Heimat und zu sehr Liechtensteiner im Herzen.

 

Was ist dein beruflicher und/oder persönliches Traum? 

Für‘s Kino schreiben und einen ersten Roman herauszubringen stehen da weit oben, an beidem arbeite ich aktuell aktiv. Letzteres soll eine feinfühlige Coming-of-Age-Geschichte über das Ende der Welt werden, die in Liechtenstein spielt. Perspektivisch wäre es traumhaft, wie die alten Drehbuchhasen mit nur ein bis zwei gut bezahlten Drehbüchern im Jahr auszukommen. Nur würde ich nicht unbedingt an einem Sandstrand schreiben wollen, sondern im Schatten von Laubbäumen auf dem eigenen Grundstück, umgeben von zwei bis drei Schafen, die mich vom Schreiben abhalten. Klingt kitschig, aber manchmal schreibe und träume ich gerne Kitsch. ^^ Den Traum vom kleinen, sanierungsbedürftigen Häuschen im Grünen teile ich mit meiner Partnerin. Dass wir uns diesen in Liechtenstein erfüllen ist jedoch ausgeschlossen. Es gibt sicherlich noch einige wenige, die sich die extremen Grundstückspreise in Liechtenstein leisten können, wir gehören jedoch nicht dazu.

 

Nichtsdestotrotz möchte ich mich aber kulturell wieder stärker in Liechtenstein einbringen. Ich war nie ganz weg, verbrachte 2019 mehrere Monate im Land und habe gerade in den letzten Jahren einige Filmschaffende im Ländle kennenlernen dürfen. Da ergeben sich bestimmt mal spannende Möglichkeiten. Auch hatte ich innerhalb der UFA Workshops gegeben und kurz vor Corona mit einer Schulklasse in Erfurt arbeiten dürfen, um den Kindern auf spielerische Weise Dramaturgie und Drehbuchschreiben näher zu bringen. Dieses Standbein will ich ausbauen. Gespräche für Kurse dazu laufen aktuell. Sicherlich in Deutschland, aber womöglich auch im Rheintal ab 2023, dann allerdings für Erwachsene. Damit würde sich für mich ein Kreis schließen, da ich mich noch sehr gut an meine ersten Filmversuche während meiner Zeit in der Realschule Balzers erinnern kann. Dort konnte ich mit einer alten Super-8 Kamera und einem Macintosh Classic meine allerersten Animationsfilmexperimente kreieren. Eine Erfahrung, die mich nachhaltig prägte, ohne die ich sehr wahrscheinlich heute kein Interview geben würde.

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